15 Gründe für Beurteilungsfehler in der Personalauswahl
Bewerber auswählen? Kein Problem! Ein wenig Unterlagen durchschauen, sich mal persönlich kennenlernen, schon gibt es bei der Personalauswahl gefühlt ein klares Bild von dem Kandidaten. Auf diese Weise fällt es leicht, Entscheidungen zu treffen, die sich bis in die weitere Zukunft hinein auswirken.
Menschliche Wahrnehmung funktioniert auf solche Weise. Selbst aus nur bruchstückhaften Momentaufnahmen erzeugt sie wie von Zauberhand das glaubhafte Gefühl eines vollständigen Eindrucks. Was in Wirklichkeit noch daran fehlt, ergänzt der Betrachter im Geiste durch naheliegend geglaubte Annahmen. Doch damit nicht genug. Die Psyche verändert auch die gewonnenen Eindrücke nach den eigenen Vorstellungen, Stimmungen oder anderen Einflüssen.
Im Beispiel dieses Bilds erwecken sogar auf ein Minimum reduzierte und zudem lediglich bruchstückhafte Informationen den Eindruck eines menschlichen Gesichts. Dass diese geistige Interpretation nicht zwangsläufig so ausfallen muss, zeigt die Variante auf weißem Grund. Bei ihr fällt es schon schwerer, den Gesichtscharakter zu „erkennen“. Der Kontrast dieser Abbildung entspricht nämlich nicht mehr dessen üblicher Erscheinung. Damit liegt eine vergleichbare Assoziation trotz ansonsten völlig gleicher Strukturen und Flächenanteile nicht mehr so nahe.
Entsprechend fragmenthafte, im Geiste vervollständigte und verfremdete Vorstellungen von Bewerbern fließen schließlich in die Personalauswahl ein. Kein Wunder, dass diese so oft der späteren Realität nicht standhalten.
Obwohl sich derartige Wahrnehmungseffekte nicht vermeiden lassen, hilft es doch, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Mit deren Kenntnis lassen sich die eigenen Eindrücke nämlich viel selbstverständlicher hinterfragen, relativieren und wo möglich auch objektivieren. Solch ein Vorgehen ermöglicht es, die eigene Prognosegenauigkeit bei der Kandidatenauswahl zu verbessern. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt angesichts der weitreichenden Auswirkungen der Personalauswahl.
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Typische Gründe für Beurteilungsfehler in der Personalauswahl
1. Grund für Beurteilungsfehler: Vorabinformationen
Vorausgehende Informationen über einen Bewerber, zum Beispiel aus seinen Unterlagen, aufgrund von Empfehlungen oder aus den Eindrücken eines zuvor geführten Telefoninterviews, prägen bei dem Recruiter bereits ein Bild von dem Kandidaten, eine Erwartungshaltung, die nachfolgend nach vorrangiger Bestätigung sucht. Aufgrund dessen nimmt er nun alles verstärkt war, was seiner vorgeprägten Annahme entspricht. Nicht damit Übereinstimmendes gerät für die Personalauswahl in den Hintergrund.
2. Grund für Beurteilungsfehler: Der erste Eindruck
Schon aufgrund des ersten Eindrucks machen sich Menschen voneinander ein Bild. Tatsächlich basiert es aber noch auf so wenigen Eindrücken, dass diese kaum etwas Substanzielles über die jeweilige Person aussagen. Auch ein solcher erster Eindruck beeinflusst die weitere Wahrnehmung und Interpretation bei der Personalauswahl vergleichbar den Vorabinformationen.
3. Grund für Beurteilungsfehler: Äußerlichkeiten
Gutaussehende Menschen erfreuen sich allgemein positiverer Bewertungen. Zählt Attraktivität jedoch nicht zu den objektiven Stellenanforderungen, liegt hierin ein durchaus erhebliches Fehlerpotenzial für die Personalauswahl. Als erste Referenz für diesen Effekt dient oft schon das Bewerbungsbild. Wer hat sich nicht schon mal von einer Bewerbung zu allererst die Aufnahme angeschaut? Deshalb raten viele dazu, lieber auf ein Foto zu verzichten. Für Stellenanbieter gilt es sogar als unzulässig, eines einzufordern. Bewerbern hingegen steht es frei, aus eigenen Stücken ein Porträtbild in ihre Unterlagen einzufügen.
4. Grund für Beurteilungsfehler: Reihenfolge
Menschen bewerten intuitiv vergleichend. Folgen etwa Vorstellungsgespräche kurz aufeinander, lässt ein vorangegangener schwächerer Kandidat nachfolgende bessere Bewerber zu gut erscheinen. Gesprächspartner, die einen besonders positiven Eindruck hinterlassen, verschlechtern über Gebühr das Bild derer, die nach ihnen folgen und weniger glänzen. Nicht so schlimm, könnte man im letzteren Falle meinen. Uns interessieren sowieso nur die besseren Kandidaten. Was aber, wenn diese nicht zu Ihnen kommen, weil sie sich für andere Angebote entscheiden? Dann stehen Ihnen keine geeigneten Nachrücker in der Personalauswahl zur Verfügung, weil diese – falsch zu schlecht bewertet – nicht mehr infrage kommen.
5. Grund für Beurteilungsfehler: Haloeffekt
Der Begriff „Halo“ bezeichnet einen Lichthof, wie er sich zum Beispiel in diesiger Höhenluft um Sonne oder Mond herum ausbildet. In der Personalauswahl steht der Begriff für einen Überstrahlungseffekt eines einzelnen, besonders auffälligen Aspekts eines Kandidaten. Dieser dominiert die Wahrnehmung so sehr, dass andere, ebenfalls relevante Faktoren kaum noch Beachtung finden. Das versuchen manche Bewerber gezielt für sich zu nutzen. Daher gelten besonders auffällige Unterlagen, unmäßig anbiedernde Bewerbungsschreiben oder übertriebene Hervorhebungen isolierter Vorzüge als Warnsignal. In solchen Fällen empfiehlt es sich, umso genauer zu prüfen, was die Bewerbung ansonsten zu bieten hat.
6. Grund für Beurteilungsfehler: Selektive Wahrnehmung
Diese basiert darauf, dass unser Gehirn nicht alles gleichermaßen aufnimmt, was es an Information erhält. Es unterscheidet zwischen vermeintlich Wichtigem und entsprechend weniger Wichtigem. Was es für relevanter hält, erzeugt einen stärkeren Eindruck. Was weniger Bedeutung zu haben scheint, fällt in seiner Wahrnehmung zurück. Bei einem Kandidaten gezielt auf etwas Bestimmtes zu achten, bewirkt dessen höheres Gewichten im Geiste. Anderes hingegen tritt in den Hintergrund oder entzieht sich dem Wahrnehmen gänzlich. Tatsächlich vermag der menschliche Geist gar nicht alles gleichermaßen zu erfassen. Er fokussiert sich immer auf irgendetwas. Um dennoch bei der Personalauswahl alles Relevante abdecken zu können, hilft ein geeignet ausgearbeitetes Anforderungsprofil sowie ein daraus entwickelter Interviewleitfaden.
7. Grund für Beurteilungsfehler: Typfestlegung
Manche Personalentscheider legen sich – bewusst oder unbewusst – auf einen bestimmten Persönlichkeitstyp fest, den sie alleinig für geeignet halten. Wer dieser Schablone nicht entspricht, fällt bei ihnen als Bewerber durch. Solches Statuieren birgt verschiedene Risiken:
- Erfolgt die Typfestlegung unabhängig von den Anforderungen der zu besetzenden Stelle, führt das zu einer Bewerberauswahl nach unmaßgeblichen Kriterien.
- Passt die Auswahlschablone nicht zum tatsächlich geeigneten Profil, ergeben sich daraus systematische Fehler bei der Kandidatenauswahl.
- Liegt der Personalentscheider mit seiner Einschätzung zwar richtig, kämen aber auch noch andere Charaktere infrage, schränkt seine Festlegung die Bewerberauswahl über Gebühr ein. Angesichts des Fachkräftemangels ebenfalls ein fataler Fehler. Zudem gelten heterogenere Personalzusammensetzungen in Unternehmen im Gegensatz zu Monokulturen als flexibler, kreativer und problemlösungsfähiger.
Typfestlegungen von an der Personalauswahl beteiligten Personen, lassen sich meist nicht leicht erkennen. Mitunter ergeben sie sich erst, wenn auffällt, dass sie bestimmte Bewerbertypen übermäßig bevorzugen. Haben Sie deshalb möglichst immer einen kritischen Blick darauf – auch auf sich selbst.
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8. Grund für Beurteilungsfehler: Ähnlichkeit
Keinen Menschen glauben wir so gut zu kennen wie uns selbst. Kaum jemanden schätzen wir so sehr wie uns selbst – ein gesundes Selbstwertgefühl vorausgesetzt. Personen, mit denen wir Gemeinsamkeiten teilen, fühlen wir uns nahe. So geschieht es auch gegenüber Bewerbern. Zeigen sich an ihnen Züge, die eigenen ähneln, neigen an der Personalauswahl beteiligte Personen zu begünstigenden Bewertungen.
9. Grund für Beurteilungsfehler: Implizite Persönlichkeitstheorien
Diese stehen für Bewertungsschemata, die von einzelnen Persönlichkeitsmerkmalen auf andere, angeblich damit verbundene Eigenschaften schließen. So ließe sich etwa annehmen, dass häufig lachende Menschen generell offen, freundlich und integrer wären, stillere eher verschlagen. Bewerbern bei der Personalauswahl implizite Eigenschaften zuzuweisen heißt jedoch letztlich, etwas in sie hineinzuinterpretieren, was keineswegs auf sie zutreffen muss.
10. Grund für Beurteilungsfehler: Symboldeutungen
Diese schließen nicht von Persönlichkeitsmerkmalen, sondern von Äußerlichkeiten auf das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften. Dazu zählen als geradezu klassisches Beispiel Kraft und Dauer des Händedrucks – für viele ein untrügliches Maß der Charakterstärke. Symboldeutungen prägen vielfach die Personalauswahl. Derart interpretierbare Äußerlichkeiten lassen sich leicht erkennen und ihre impliziten Bedeutungen den Bewerbern bequem zuweisen. Diese einfache Anwendbarkeit macht Symboldeutungen ungeachtet ihres hohen Risikos für Fehlbewertungen besonders beliebt. Das wissen auch viele Bewerber. Etwas symbolhaft Deutbares vorzuspielen gelingt nämlich recht einfach. Und es eröffnet eine reelle Chance, seine abschließende Beurteilung erfolgreich zu beeinflussen.
11. Grund für Beurteilungsfehler: Vorurteile
Unzählige Menschen lassen sich von Vorurteilen leiten. Das gilt gleichermaßen für an der Personalauswahl beteiligten Personen. Stereotype basieren auf Überzeugungen anstatt auf Fakten und zeigen vielfach einen von jeglicher Realität losgelösten Glaubenscharakter. Vorurteile ersparen den Aufwand, sich tatsächlich mit der so bewerteten Person auseinanderzusetzen. Solches Schubladendenken geht stets zulasten einer sachgerechten, individuellen Differenziertheit.
12. Grund für Beurteilungsfehler: Sympathie
Von liebenswerten Menschen fühlen wir uns angezogen. Auf sie lassen wir uns besonders gerne ein. Über Unzulänglichkeiten sehen wir bei ihnen großzügiger hinweg. Ihnen wollen wir Gutes tun. Entsprechendes gilt auch für die Personalauswahl. Daran beteiligte Personen tendieren dazu, sympathischer erscheinende Bewerber grundsätzlich positiver zu bewerten. Das sich daraus ergebene Fehlerpotenzial erhöht sich noch weiter, wenn Bewerber vorsätzlich versuchen, möglichst sympathisch zu wirken.
13. Grund für Beurteilungsfehler: Zeitdruck
In Eile getroffenen Bewertungen fehlt es leicht an der nötigen Ausgewogenheit. Zeitdruck lenkt ab. Er zieht die Aufmerksamkeit auf sich und entsprechend vom Bewerber ab. Daraus resultieren Wahrnehmungs- und Informationsdefizite in der Personalauswahl. Zudem bleibt in der Regel nicht mehr genügend Zeit, das Erfasste hinreichend zu reflektieren. Eile fördert Bauchentscheidungen und begünstigt alle Ursachen von Bewertungsfehlern, mit denen sich Aufwand einsparen lässt.
14. Grund für Beurteilungsfehler: Stimmungslage
Wie jemand tendenziell in der Personalauswahl bewertet, hängt nicht zuletzt auch von seiner Laune ab. Relativieren Sie daher Ihre Einschätzungen und Urteile stets auch vor dem Hintergrund, in welcher Stimmungslage Sie sie getroffen haben. Im persönlichen Kontakt mit Bewerbern hat Ihre Gemütslage zudem noch einen weiteren Einfluss. Dieser kommt in der nächsten Fehlerquelle zum Tragen.
15. Grund für Beurteilungsfehler: Gegenseitige Verhaltenssteuerung
Das Verhalten zweier Menschen bedingt sich in ihrer Kommunikation gegenseitig. Paul Watzlawick, der Begründer der Kommunikationspsychologie, nannte dies „zirkuläres Verhalten“. Betrachten wir dafür folgendes Beispiel:
Viele Bewerber befürchten, im Vorstellungsgespräch über unangenehme Fragen bloßgestellt zu werden. Zeigt sich der Interviewer dann tatsächlich besonders kritisch und bohrt er offensichtlich vor allem nach ihren Schwächen, fühlen sie sich in dieser Sorge bestätigt. Verschließen sie sich daraufhin zu ihrem Selbstschutz und versuchen sie, unangenehmen Fragen des Interviewers auszuweichen, weckt es dessen Ehrgeiz nur noch mehr, sie zu „knacken“. Schließlich haben solche Kandidaten ja offensichtlich etwas zu verbergen …
Wie hätte sich das Verhalten der Bewerber im Gespräch wohl entwickelt, wenn der Interviewer es freundlich und entspannt angegangen wäre? Wie die Erfahrung der Personalauswahl zeigt, geben erleichterte und vertrauensschöpfende Kandidaten Aussagekräftigeres viel eher und gänzlich ungezwungen von sich preis.
Beurteilungen in der Personalauswahl kritisch hinterfragen, um Fehlbesetzungen zu vermeiden
Allein schon diese Zusammenstellung zeigt die Vielfältigkeit von Fehlerquellen bei der Personalauswahl. Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt die Selektion jedoch nicht. Zu mannigfaltig und womöglich noch gar nicht vollständig aufgeklärt beeinflusst die menschliche Psyche das Wahrnehmen wie auch die daraus abgeleiteten Schlüsse. Diese Auswahl typischer und verbreiteter Beurteilungsfehler soll dafür sensibilisieren, Eindrücke und Interpretationen bei der Personalauswahl generell kritisch zu hinterfragen.
Gänzlich ausschließen lassen sich Wahrnehmungsfehler in der Personalauswahl jedoch nicht – jedenfalls solange die Personalentscheidungen noch von Menschen getroffen werden. Doch ist es durchaus möglich, über eine gekonnte Vorgehensweise das eigene Augenmerk gezielt auf die objektiven Auswahlkriterien zu lenken und dadurch zur Objektivierung der eigenen Personalauswahl beizutragen.
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